Duftnoten

An heißen Tagen empfindet man Gerüche oft sehr intensiv und das Miteinander kann beschwerlich sein …

Was für ein Duft! Nicht jeder fand ihn angenehm und einige begannen, die Nase zu rümpfen. Andere wiederum konnten nicht hinreichend genug davon bekommen und benahmen sich wie ein Süchtiger an einer Schnüffeltüte.

„So etwas hat es hier noch nie gegeben“, schimpfte die Erdbeermarmelade, „mir wird schon ganz pelzig auf der Zunge“.

„Nun hab’ dich dicht so mimosenhaft“, entgegnete die Leberwurst. „Daran wirst du nicht versauern.“

Die Eier beugten sich in ihrer Schale kurz hervor, rümpften die Nase und verschwanden wieder in ihrem obersten Fach.

„So eine Sauerei, da wird einem ja ganz übel“, regten sich die Tomaten auf, „das halten wir nicht lange aus! Eine Zumutung!“

Das Vollkornbrot schielte neugierig zu dem neuen Mitbewohner. Es  konnte sich einen engeren Kontakt mit diesem  wohlriechenden Gesellen gut vorstellen.

„Was hältst du von dem?“, fragte er seine Nachbarin, die Butter.

„Nicht übel“, antwortete sie mit einem leuchtenden Blick in den Augen. „Den würden wir nicht von der Kante stoßen, oder?“

„Auf keinen Fall“, antwortete das Vollkornbrot. „ich versuche schon die ganze Zeit, mit ihm in Blickkontakt zu kommen, aber die Meckerei hier hat ihn wohl etwas eingeschüchtert“.

„Habt Ihr keine anderen Sorgen?“, raunte eine Bierflasche gelangweilt vom obersten  Regal.

Dieser Spruch trieb den Tomaten die Zornesröte mitten ins fleischige Gesicht.

„Du hast gut reden. Deine Haltbarkeit in deiner verschlossenen Flasche steht ja nicht auf dem Spiel. Wir sind schließlich dünnhäutig und ich merke schön jetzt, wie mir überall die Pelle juckt. Wenn ich krank werde, ist mein Ende schneller da, als mir lieb ist.“

„Selber schuld“, höhnte die Bierflasche. „Eure zu Saft gewordenen Schwestern haben es da wohl besser“.

„Das ist aber nicht fair“, entgegnete die Milchtüte mit einem vorwurfsvollen Blick auf die Bierflasche. „man hat schließlich wenig Einfluss darauf, wie lange einem das Leben vergönnt ist.“

„Echauffiere dich nicht so, liebe Milch, sonst wirst du vor lauter Aufregung noch ganz sauer.“ Der Bierflasche schien es Spaß zu machen, die Stimmung bewusst anzuheizen.

Dem neuen Mitbewohner war gar nicht wohl in seiner Haut. Dort, wo er her kam, waren alle nett zueinander gewesen. Er verstand den Aufruhr nicht. Ganz still lag er in der Ecke und rührte sich nicht vom Fleck. Vorsichtig schielte er zu seinem linken Nachbarn, dem  Kohlrabi. Er schien nichts gegen ihn zu haben, beäugte ihn aber neugierig.

„He, Kumpel, mach dir nichts draus, die werden sich schon an dich gewöhnen“, flüsterte er ihm zu.

„Meinst du? Ich komme mir vor wie ein Störenfried, so wie hier einige reagieren.“

„Papperlapapp! Hör einfach nicht hin.“

Mittlerweile war eine rege Diskussion zwischen den Tomaten und der Butter, der Milch und der Bierflasche und dem Vollkornbrot und der Leberwurst entstanden. Alle diskutierten wild und lautstark miteinander.

Plötzlich war es ganz dunkel geworden und das Stimmengewirr ging in ängstliches Schweigen über.

Die dunkle, tiefe Stimme der Energie meldete sich zu Wort.

„ Ich warne Euch. Wenn Ihr nicht sofort friedlich miteinander umgeht, bleibt die Kühlung aus. Ihr seid meine Gäste und als Gast sollte man sich zu benehmen wissen. Geht dieser Unfrieden weiter, sorge ich dafür, dass Euer letztes Stündchen geschlagen hat. Dann landen die meisten von Euch in der Mülltonne und sterben einen grausamen Tod. Ich hoffe, das war klar genug.“

Niemand erwiderte etwas.  Nur der kleine Käse legte sich behaglich in seine Schachtel und  begann sich wohl zu fühlen.

© G. Bessen

Foto: https://escara-fotoprojekte.blogspot.com/

Über Anna-Lena

Lehrerin im Un-Ruhestand, mit vielen Hobbys, die nichts mit dem Beruf zu tun haben. Ich lese viel, schreibe gern selber und fotografiere, was mir vor die Linse kommt.
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20 Antworten zu Duftnoten

  1. finbarsgift schreibt:

    Lächel 🤗
    Liebe Morgengrüße vom Lu

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  2. Gisela Benseler schreibt:

    Na, das ist ja drastisch. Nur der Käse darf seinen „Duft“ weiter verbreiten…😁

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  3. Werner Kastens schreibt:

    Was ist das denn für eine tolle Idee: Plauderei im Kühlschrank!
    Großes Lob!

    Gefällt 1 Person

  4. Gisela Benseler schreibt:

    „Habt ihr keine anderen Sorgen?“ wäre meine Gegenfrage.

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  5. Toll, liebe Anna-Lena! Endlich reden sie mal miteinander. Bisher war es da drin so still wie bei einer Trauerfeier und fast war mir mulmig, wenn die Kühlschranktür öffnen mußte 🙂
    Jetzt bin ich beruhigt. Der duftende Käse regte sie zu einem Miteinander an, auch wenn es erst mal eine wilde Diskussion war. Wer weiß, vielleicht der Beginn einer Freundschaft? *grins*

    Liebe Grüße von Bruni an Dich

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  6. escara schreibt:

    Liebe Anna-Lena,
    bin das erst Mal auf deinem Blog und habe die Zeit verloren 🙂 Dieses Duftnoten Gespräch ist ja köstlich! Vielen Dank.
    Liebe Grüsse aus der Schweiz
    Esther

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  7. beaneu schreibt:

    Liebe Anna-Lena, eine Geschichte die ich sehr amüsant finde und die dennoch auch Tiefgang hat. Tolle Idee, den „Insassen“ des Kühlschrankes Stimmen zu verleihen.
    Liebe Grüße zu dir.

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    • Anna-Lena schreibt:

      Hab lieben Dank, Beate, ich freue mich, wenn sie dir gefällt als Oberflächengeplänkel und auch mit Tiefgang.

      Einen schönen Restsonntag und liebe Grüße,
      Anna-Lena

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