Beginnen wir

STUHLGESCHICHTEN 1

Beginnen wir!

Theo und sein Freund Erik nutzten den letzten Urlaubstag zu einem Saunabesuch, während ihre Frauen den ersten Tag des Alltages im neuen Jahr im Fitnessstudio verbrachten.

„Lass und beginnen.“

„Beginnen? Womit?“

„Na, mit dem neuen Jahr!“

„Es hat doch schon begonnen. Was meinst du konkret mit ‚beginnen’?“

„Hast du  keine Vorsätze, die du in die Tat umsetzen willst?“

„Nein, das habe ich jahrelang gemacht, mit dem Erfolg, dass sie schneller verpufft sind, als ich sie erdacht hatte. Ich habe nur noch Pläne, keine Vorsätze.“

Theo rührte gedankenverloren in seinem Cappuccino herum. Dann schaute er Erik direkt an.

„Weißt du, je älter ich werde, desto mehr habe ich das Empfinden, die Zeit rast nur so dahin und ich hetze ihr ständig hinterher. Das stimmt objektiv natürlich nicht, aber gerade in der jetzigen Advent- und Weihnachtszeit ist mir das wieder bewusst geworden. Der Advent verflog nur so, ich  hatte oft das Gefühl, noch mehr in kürzerer Zeit leisten zu müssen und war gefühlt nur unter Druck.“

„Da ist viel Wahres dran, in unserer Firma war vor Weihnachten eine Notbesetzung durch viele Krankheitsfälle, demzufolge so eine dicke Luft, dass man sie hätte schneiden können. Nur wenige Kollegen blieben entspannt, die anderen waren unterschwellig aggressiv, reine Nervenbündel und ich bin manchen regelrecht aus dem Weg gegangen. So richtig viel Zeit zum Durchschnaufen blieb zwischen den Feiertagen auch nicht, und wenn ich morgen wieder zum Dienst gehe, bin ich gespannt, was mich erwartet.“

„Wir nehmen uns einfach zu viel vor und setzen das Maßband immer höher. Mit unserem ständigen ‚ich muss’ machen wir uns doch zum Sklaven unserer selbst. Mein Plan ist, mich erst einmal zu sortieren und zu orientieren, was ich in dem neuen Jahr eigentlich will, für mich selbst, was meiner Familie gut tut und was ich beruflich noch erwarte. Vielleicht ist weniger wirklich mehr, wie man immer so schön sagt.“

„Was willst du denn beruflich verändern? Das Geld muss doch stimmen oder hast du demnächst eine Erbschaft in Aussicht?“

„Schön wäre es, aber das ist aussichtslos. Ich plane, meine Stundenzahl zu reduzieren, denn seitdem die Kinder mit der Ausbildung fertig sind, haben wir weniger finanzielle Belastungen.“

„Mit dem Geld könntet ihr euch etwas Tolles  leisten oder weite Reisen machen.“

„Eigentlich haben wir alles, was wir brauchen und verreist sind wir auch oft. Wir können uns doch glücklich schätzen, so viel von der Welt gesehen zu haben. Ich habe einfach ein wenig Sorge, meine Rente nicht lange genießen zu können, wenn wir so mit Volldampf weitermachen wie bisher. Wir werden nicht jünger und auch nicht mehr gesünder.“

„Ein wenig Entschleunigung täte uns wohl allen gut und vielleicht hast du recht, dass es an der Zeit ist, die weiteren Perspektiven mal genauer zu durchdenken. Wenn unsere Kinder fertig sind und wir aufhören können zu arbeiten, könnten wir das Haus verkaufen, in eine kleine Wohnung ziehen und unseren Traum, mit einem Wohnmobil durch die Lande zu ziehen, endlich verwirklichen.“

„Siehst du, das ist der Unterschied zwischen Vorsatz und Plan. Pläne haben etwas mit Planung zu tun und mit Plänen kann man Träume verwirklichen, die man schon lange in sich trägt, deren Zeit zur Verwirklichung aber erst reif sein muss.“

© G. Bessen

 

 

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Über Anna-Lena

Lehrerin im Un-Ruhestand, mit vielen Hobbys, die nichts mit dem Beruf zu tun haben. Ich lese viel, schreibe gern selber und fotografiere, was mir vor die Linse kommt.
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7 Antworten zu Beginnen wir

  1. Lo schreibt:

    Geld ist wirklich nicht alles.
    Liebe Grüße und: ein frohes, entspanntes Jahr!

    Gefällt 1 Person

  2. und mit dem Verwirklichen beginnen wir, wenn das Krankenhaus endlich hinter uns liegt, liebe Anna-Lena. Eine feine Geschichte mit einer mehr als guten Idee!
    Liebe Grüße von Bruni an Dich

    Gefällt 1 Person

  3. lifetellsstories schreibt:

    Wahre Worte, liebe Anna-Lena.
    Ich wünsche Dir für 2023, dass Du alle Deine Pläne verwirklichen kannst, genügend Ruhe und Muse und viel Zeit für Familie und die schönen Dinge des Lebens hast. Aber vor allen Dingen wünsche ich Dir Gesundheit.
    LG
    Astrid

    Gefällt 1 Person

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