Hautnah
Es könnten zwei- bis dreihundert Menschen gewesen sein, überwiegend Männer in jungen und mittleren Jahren, aber auch Familien mit mehreren kleinen Kindern, Einzelpersonen im fortgeschrittenen Alter. Das war keine Demonstration, kein freudiges Event, kein Grillfest. Es war nichts, was auf eine freudige Zusammenkunft schließen ließ.
Vielen Gesichtern sah man Erschöpfung an, als Ausdruck eines langen Weges. Manche der jüngeren Frauen uns Männer hatten ein Stück Pappe unter sich auf den teils ausgetretenen Rasenflächen, beiderseits des asphaltierten Weges zwischen den einzelnen Gebäuden, und schliefen. Viele hatten einen kleinen Rollkoffer, vermutlich mit der einzigen Habe, die ihnen geblieben war.
Auf der größten Rasenfläche kurz vor dem Ende des Gebäudekomplexes standen zwei große weiße Zelte, innen leer. Ob die Menschen dort die Nacht verbringen sollten?
Um den großen Röntgenwagen, in dem Menschen auf Lungenkrankheiten und Tuberkulose untersucht werden, standen viele Einzelgrüppchen von Menschen, lautstark diskutierend oder aufgeregt mit dem Handy telefonierend. Die meisten dieser Menschen sprachen arabisch.
Ein hautnaher und unter die Haut gehender Moment, der für mich nur einen Schluss zulässt. Das waren arabische Flüchtlinge, deren gesundheitliche Erstuntersuchung auf diesem Gelände durchgeführt wird. Was dann folgt, wo diese Menschen danach hingehen, weiß ich nicht.
Ich habe keine Fotos gemacht, ich habe keinen angesprochen. Die Erschütterung saß zu tief in mir.
Das Moabiter Krankenhaus in der Turmstraße, wo ich diese Erfahrung am Mittwoch unvermittelt gemacht habe, hat einen traditionsreichen Standort. Ende des 19. Jahrhunderts entstand es als ein Seuchenkrankenhaus für Berlin. In den zwanziger Jahren hatte es neben der Charite eine zentrale Bedeutung und beschäftigte namhafte, zum Teil jüdische Kapazitäten.
Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde zwar wieder auf- und umgebaut, doch Sparmaßnahmen führten 2001 zu einer Schließung des Krankenhauses.
Seit 2004 ist es wieder geöffnet und ist heute das „Gesundheits- und Sozialzentrum Moabit“.
Außenstellen andere Krankenhäuser (z.B. die Rechtsmedizin der Charite) , Arztpraxen, eine Rehaklinik (Median-Klinik) und ein Seniorenzentrum werden heute auf dem Gelände betrieben.
Als ich las, dass ein Teil des Geländes ein Behandlungszentrum für Folteropfer ist, war mir klar, was ich gestern durch Zufall gesehen habe.
Wen es interessiert:
http://www.bzfo.de/
© G. Bessen 7/15
… du lebst auch in B?!
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Nicht mehr, aber nur wenige Kilometer hinter der nördlichen Stadtgrenze. Seit fast zwanzig Jahren bin ich Brandenburgerin, habe aber sehr lange in Charlottenburg und vorher in Neukölln gelebt 🙂 .
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… da fahr ich auch gleich hin, … ins OHV-Gebiet
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Das Kennzeichen habe ich auch, böse Zungen interpretieren das als:
ohne Hirn und Verstand
oder
Ossis haben Vorfahrt.
Ich ziehe mir aber beide Jacken nicht an.
Liebe Grüße aus dem OHV-Land 😉 .
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Wie traurig und erschütternd. Ja, sowas geht einem erst so richtig zu Herzen, wenn man unmittelbar damit konfrontiert wird.
Mit liebem Gruss,
Brigitte
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Ich bin nicht auf den Mund gefallen, das aber hat mich doch sprachlos gemacht.
Liebe Grüße in den späten Abend,
Anna-Lena
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Vielen Dank für den Bericht und den Link, liebe Anna-Lena. Seit Kurzem arbeite ich ehrenamtlich in einem Übergangswohnheim mit Kindern, weiß aber wegen spärlicher Deutsch-/Englischkenntnisse sehr wenig über sie. Dass es vielen Menschen dort nicht gut geht, ist kaum zu übersehen, auch wenn nicht alle Opfer von Folter gewesen sein mögen. Aber ist dieses Dahindämmern in einem überfüllten Betonklotz mit großen, lauten Straßen und misstrauischen Menschen in der Nachbarschaft, weit entfernt von vertrauter Umgebung, Freunden und Familie nicht eine zusätzliche Belastung? Wir sind uns wohl einig, dass es so ist.
Ich habe mich für den Newsletter deines Links angemeldet.
Liebe Grüße – Sylvia
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Wir haben mittlerweile einige syrische Flüchtlingskinder in der Schule, die Deutschunterricht bekommen und vom regulären D-Unterricht befreit sind, aber gut Englisch sprechen. Aber sie reden kaum über das, was sie erlebt haben und sind immer von einer großen Traurigkeit umgeben.
Ich finde es toll, dass du das machst, auch noch ehrenamtlich – Hut ab! Wenn ich in einem Jahr aufhöre zu arbeiten, könnte ich mir vorstellen, auch in dieser Hinsicht aktiv zu werden.
Liebe Grüße von mir zu dir!
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Gänsehaut…
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Oh liebe Anna-Lena, du hast es also mit eigenen Augen gesehen.
Schlimm das Ganze. Hoffentlich kann ihnen geholfen werden.
In Charlottenburg hatte mein Bruder eine Zeitlang gewohnt.
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Es war auch schlimm, weil es erstens völlig unerwartet und überraschend kam und es was anders als Fernsehbilder waren, die man leider schon gewöhnt ist.
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Ist mir klar.
Zum Glück musste ich so etwas noch nicht erleben.
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da hast Du das erlebt, von was wir meist nur lesen, liebe Anna-Lena.
Ich kann mir vorstellen, daß es ein erschütternfes Erlebnis war. Die Konfrontation mit der Wirklichkeit, mit dem, was tatsächlich zur Zeit bei uns passiert.
In Heidelberg sind die Unterkünfte schon sehr überbelegt u. es gab große Proteste von seiten der Stadt und der Stadtteilbürger. Zu vieles lag im argen und von der Landesregierung kam keine Hilfe. Frau Öney, die Integrationsministerin Baden-Württembergs, kam mit den Menschen nicht zurecht. Sie hatte für sie einfach den falschen Ton.
Nur einen Tag später war dann plötzlich unserer Ministerpräsident, Herr Kretschmann hier, hatte alle seine Termine verschoben, kam mit dem Hubschrauber aus Stuttgart und plötzlich klappte alles, was vorher falsch oder gar nicht lief.
http://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-Heidelberg-Kretschmann-verspricht-Verbesserungen-fuer-Fluechtlingsnotunterkunft-_arid,114771.html
Herzliche Grüße an Dich zum Wochenende
von Bruni
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Es gibt so viel zu tun, liebe Bruni, um den vielen Menschen erst einmal das Wichtigste zu geben. Auch hier schlagen viele Wellen hoch, aber eine wirkliche Alternative haben die Gegner auch nicht. Und dass in den betroffenen Ländern etwas gemacht werden muss, dass niemand Grund zur Flucht hat, ist so hohles Gerede. Jeder weiß das, aber von heute auf morgen lassen sich keine Berge versetzen und Kriege meist auch nicht verhinder.
Auch liebe Grüße zu dir und einen „arbeitsfreien“ Sonntag!
Anna-Lena
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da stimme ich vollkommen mit Dir überein, liebe Anna-Lena, hohles Gerede – als ob sich in den betroffenen Ländern so viel ändern würde, daß niermand mehr flüchten muß…
Nein, da wird sich viel zu lange gar nichts ändern u. notleidende Menschen kommen bei uns an, sofern sie die Kraft dazu haben…
Liebe Grüße zum Abend von Bruni
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Heckeshorn für Lungenkranke können wir auch bald wieder öffnen.
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Bei den Sparmaßnahmen?
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Das hätte mich auch sehr betroffen gemacht, liebe Anna-Lena…
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Gut das es solche Einrichtungen gibt, wo ihnen geholfen wird. Ist schon erschreckend so etwas mit eigenen Augen zu sehen. Das sollten sich mal unsere rechten Sinnesgenossen ansehen. L.G.
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Die darf man gar nicht in solche Nähe lassen. Beschämend, was sich da besonders in unseren neuen Bundesländern abspielt.
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