Knapp daneben

Knapp daneben

In der Stadt, in der ich meine Brötchen verdiene, werden öfter Anomalien gefunden, die sich häufig bei genauerer Untersuchung als Bomben aus dem zweiten Weltkrieg entpuppen.
Wenn meine Dienststelle im Sperrkreis liegt, ist die Freude bei den Schülern groß, bei uns Lehrern eher verhalten, denn so ein schulfreier Tag bedeutet für uns Minusstunden, die häufig nachgearbeitet werden müssen. Die höhere Gewalt erkenn unser Arbeitgeber selten an. Und die Menschen, die im Sperrkreis leben, müssen kurzfristig verreisen oder sich anderweitig einen vergnüglichen Tag machen. Sie sind diejenigen, die am meisten zu bedauern sind.

Heute war es wieder soweit. Um überhaupt an die Wirkungsstätte meiner täglichen Freude zu kommen, war die kurze Nacht noch kürzer als sonst und die Reise über Land im frühen Sonnenschein zwar viel länger, aber nicht unangenehm.

Zudem hatten wir heute das für mich einmalige Erlebnis, dass wir genau an der Grenze zum Sperrkreis (Radius von eintausend Metern, betroffen 4500 Menschen) waren. Ich saß in den ersten beiden Stunden mit einer 7. Klasse in der ersten Etage förmlich an der imaginären Linie, von deren rechter Seite ich nicht wusste, was uns erwartete.
Ab acht Uhr dreißig wurde der Sperrkreis eingerichtet, um neun Uhr rief unsere Sekretärin alle Kollegen aus, ihre Autos wegzufahren, die den Sperrkreis beträfen.
Meins stand genau an der Grenze, doch die beiden Damen, die den Sperrkreis bewachten, waren unnachgiebig. Unser schlauer Hausmeister hatte bereits vereinzelte Parklücken erspäht, so dass wir alle wieder pünktlich zum Unterricht da waren.

Ein Teil des Schulhofes durfte heute von den Schülern nicht betreten werden – Sperrkreis. Der Sportplatz – Sperrkreis.
Als ich nach der vierten Stunde Schluss hatte, waren immer noch Feuerwehrleute damit beschäftigt, zu kontrollieren, ob alle Anwohner im Sperrkreis ihre Wohnungen verlassen hatten.

Ich war diesem Szenario längst entkommen und schon wieder zuhause, als man nachmittags die 250 kg schwere Bombe, die am See in viereinhalb Metern Tiefe lag, mit einem Wasserschneidegerät entschärfen konnte. Ab fünfzehn Uhr ging das Leben weiter wie gewohnt.
Es war seit 1990 die 185. Bombe, die unschädlich gemacht werden musste.

Über Anna-Lena

Lehrerin im Un-Ruhestand, mit vielen Hobbys, die nichts mit dem Beruf zu tun haben. Ich lese viel, schreibe gern selber und fotografiere, was mir vor die Linse kommt.
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35 Antworten zu Knapp daneben

  1. JobcoachingBonn schreibt:

    Ähnliches habe ich auch einige Male erlebt. Aber an einer Schule ist die Freude sicher besonders groß 🙂 Liebe Grüße

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  2. wederwill schreibt:

    Vielleicht war es ja endlich die letzte?! Zum Glück hatte dein Tag einen guten Ausgang!
    Liebe Abendgrüße von Marlis

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    • Anna-Lena schreibt:

      Das mit Sicherheit nicht. Es wird ständig nach alten Bomben gesucht, dazu werden oft Straßenzüge wochenlang gesperrt und es werden Bohrungen gemacht. Der Weg zur Schule ist mitunter abenteuerlich 😉 . Und ich selber wohne knapp 15 km weg. Es hat mehrere Vorteile, wenn man nicht im selben Ort wohnt und arbeitet…

      Liebe Grüße
      Anna-Lena

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  3. leonieloewin schreibt:

    Entschuldigung Anna- Lena..ich war noch als Jobcoaching Bonn eingeloggt, als ich kommentierte. Die Meinung zählt :-). Liebe Grüße Leonie

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  4. Pauline schreibt:

    Und wenn nicht endlich mehr Kartenmaterial zur Verfügung gestellt wird, liebe Anna-Lena, auf der die Bombenabwürfe genau verzeichnet sind (die gibt es, habe ich vor Jahren gelesen!) und dementsprechend Leute eingestellt werden, die diese Schiet-Dinger beseitigen können, wird die nächste Generation auch noch ihre „Freude“ daran haben …
    GLG ♥ Pauline ❤

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  5. minibares schreibt:

    Liebe Anna-Lena, ja dann sind sie unbarmherzig. Alle müssen folgen.
    Ich finde es auch doof, dass man seine Wohnung verlassen muss, dann sind oft Diebstähle die Folge.
    Aber gut, dass sie entschärft werden konnte.
    Und alles ist wieder gut.
    deine Bärbel

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    • Anna-Lena schreibt:

      Das sind reine Sicherheitsmaßnahmen, wenn bei einer Entschärfung was schiefgeht und ein Haus beschädigt werden sollte, will man wenigstens Personenschäden vermeiden. Die Menschen, die so etwas beruflich machen, haben meine Hochachtung, denn ungefährlich sind die Dinger ja nicht.

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    • freiedenkerin schreibt:

      Wenn man seine Wohnung absperrt, dann kann doch eigentlich nix wegkommen?… Und mir wäre es ehrlich gesagt weitaus lieber, einige Stunden oder gar eine Nacht lang in einer Turnhalle kampieren zu müssen, als dass solch eine unselige Hinterlassenschaft aus den Kriegstagen in meiner unmittelbaren Nähe hoch geht, und mir und vielen anderen Menschen furchtbaren Schaden zufügt.

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  6. Zu meinem Haushalt zählen zwei, die hätten gern mal solche Aufregung während des Schultages … 🙂

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  7. Beate Neufeld schreibt:

    Ich finde es immer wieder unglaublich, dass auch heute nach so langer Zeit so viele Bomben gefunden werden. Direkt an der Grenze zum Sperrgebiet vermittelt auch kein sicheres Gefühl!

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  8. Helmut schreibt:

    …. und das sind noch die vergleichsweise harmlosesten Nachwirkungen des Kriegs. Wie viel internationales Vertrauen ist zum Beispiel immer noch zutiefst beschädigt und kann zu neuen Explosionen führen.

    Liebe Grüße
    Helmut

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  9. Frau Momo schreibt:

    Das erleben wir in Hamburg auch sehr oft. Noch kurz vor unserem Einzug wurde eine Bombe direkt vor unserem neuen Zuhause gefunden und hier habe ich vor ein paar Monaten mal die Zeit genutzt, die ich meine Unterkunft nicht betreten durfte, um zum Frisör zu gehen 🙂

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  10. Ingrid schreibt:

    Hier kommt das auch immer wieder vor – linksrheinisch. Neulich mussten mehrere Häuser mit alten Leuten evakuiert werden. – Was diese Sprengmeister (oder wie sie heißen) für einen gefährlichen Job haben …
    LG, Ingrid

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  11. quersatzein schreibt:

    Unglaublich, was da noch alles zurückblieb von damals und nun unschädlich gemacht werden muss.
    Tja, Hauptsache, es kommt niemand zu Schaden!

    Lieben Gruss ins vorerst entschärfte Gebiet,
    Brigitte

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  12. bruni8wortbehagen schreibt:

    ach, schon wieder mal eine…
    Wieviele da wohl noch liegen werden?
    Ich hoffe sehr, es ist noch nie etwas beim Entschärfen oder vorher beim Finden schon passiert.

    Alles Liebe von mir.
    Hast Du morgen einen freien Tag? Ich weiß gar nicht, ob es bei Euch auch ein Feiertag ist

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    • Anna-Lena schreibt:

      Ich vermute, da liegen noch zahlreiche. Diese wurde nur entschärft, aber bei einer Sprengung sind auch Häuser schon in der Nähe beschädigt worden. Das ist für die Betroffenen sehr bitter.
      Ich habe morgen frei und der Freitag ist seit Jahren ein variabler Ferientag, so dass ich ein ganz langes Wochenende habe *freu* !!

      Liebe Grüße von mir!

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      • bruni8wortbehagen schreibt:

        Tja, diese Bomben, nach sooo vielen Jahren immer noch eine Gefahr…

        Gut, daß Du so ein schönes langes Wochenende vor Dir hast, liebe Anna-Lena.
        Das wird ein Fest werden *lächel*

        Liebe Grüße von Bruni

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  13. lettercastle schreibt:

    Oje, hoffentlich werden bald alle Reste geborgen worden sein…

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  14. Lutz schreibt:

    Wir haben hier ab und an auch mal eine Bombenentschärfung. Aber auf Berlin wurden ja weitaus mehr Bomben abgeworfen als hier. Deshalb kommt es bei euch auch häufiger vor das die Leute ihre Häuser wegen der Entschärfung verlassen müssen. Die Leute die diese Bomben entschärfen haben auch meine Hochachtung. L.G.

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  15. ernstblumenstein schreibt:

    Ich kann da nicht mitreden, nur mir vorstellen, dass es für die Betroffenen mühsam ist, deswegen wegzugehen. Angst hätte ich aber keine.

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