Sebastian Willing: Bea geht

beas_buch_cover_front-185x300Als ich das Buch erstmalig in Händen hielt, überkam mich gleich das Gefühl von harter Kost. Bea, ein sympathisches Mädchen,  blickt dem Leser vom Coverbild direkt ins Auge, fordert ihn auf, sich mit ihrem Leben zu befassen.

Der Autor und Vater, Sebastian Willing,  beschreibt das Leben seiner Familie, die Erfahrung, in sehr jungen Jahren Eltern zu werden und zu bemerken, dass es in der Entwicklung von Bea schon bald deutliche Verzögerungen gibt. Bea will nicht sprechen und bereits in jungen Jahren bekommt sie Anfälle unterschiedlicher Art, die in ihrer Stärke und in ihrem Ausmaß sehr stark variieren. Ein Leben voller Sorge, Hoffnung und Enttäuschung  wird zur täglichen Belastungsprobe für die junge Familie. Bea braucht alsbald eine Rundumbetreuung, ist in ständiger ärztlicher Kontrolle, doch die Ursache für Beas Leiden wird nicht gefunden. Therapieversuche auf verschiedenen Ebenen bringen keine Erfolge.

Bea besucht einen Kindergarten und auch eine Sonderschule und das sind die einzigen freien Stunden, in denen Sebastian und seine Frau aufatmen und ihrer Arbeit nachgehen können, immer mit der Angst im Nacken, ein Anruf vom Kindergarten oder der Schule könne den halbwegs normalen Teil des Tages erneut durcheinander bringen.

Bea bekommt eine Schwester, ein gesundes Kind und so verwundert es nicht, dass die Familie mit einem behinderten und einem gesunden Kind auch auf der Gefühlsebene stark belastet ist.

Bea wird von ihren Eltern geliebt, aber ihre Krankheit bringt die junge Familie auch an ihre körperlichen und seelischen Grenzen. Als Bea dreizehn ist und auf dem geistigen Stand einer eineinhalbjährigen verweilt, teils sogar mit Rückschritten, wächst der Gedanke heran, Bea in eine Wohngruppe zu geben. Eine schwere Entscheidung, die sich die Eltern nicht leicht machen, die sich doch schon bald als richtig erweist.

Sebastian Willing beschreibt den Lebensweg seiner Tochter und die Familiensituation in einer Art, in der  die tiefe Liebe zu Bea in jeder Zeile deutlich wird, aber auch die Ohnmacht, die die Eltern immer wieder spüren, das Gefühl, auf körperlicher und emotionaler Ebene deutlich an ihre Grenzen zu stoßen.

Die Entscheidung, Bea in eine Wohngruppe zu geben, haben sich die Eltern nicht leicht gemacht. Man spürt förmlich, wie das Gefühl, einen Teil von sich selbst wegzugeben, „sie zu entsorgen“, wie der Vater es beschreibt, sie innerlich fast zerreißt.

Das Buch hat mich sehr berührt und auch mitgenommen. Wenn ich sage, es hat mir auch sehr gefallen, so meine ich damit, dass es anderen Eltern mit behinderten Kindern in einer ähnlichen Entscheidungsphase helfen kann. Da, wo Bea nun lebt, geht es ihr gut. Unter diesem Aspekt können auch die Eltern inzwischen mit dieser Entscheidung leben.

Was mir auch wieder deutlich zu Bewusstsein kam, ist die Tatsache, welch großes Glück es ist, wenn ein Kind gesund geboren wird und sich normal entwickelt.

Somit ist dieses Buch empfehlenswert für alle.

In seinem Blog beschreibt Sebastian Willing Beas weiteren Weg, so dass der Leser Bea nicht aus den Augen verliert.

Bildquelle

c/G.B.

Über Anna-Lena

Lehrerin im Un-Ruhestand, mit vielen Hobbys, die nichts mit dem Beruf zu tun haben. Ich lese viel, schreibe gern selber und fotografiere, was mir vor die Linse kommt.
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26 Antworten zu Sebastian Willing: Bea geht

  1. Follygirl schreibt:

    Ich werde es mir auf jeden Fall vormerken… im Moment allerdings möchte ich es nicht lesen.
    Danke für den Hinweís!
    LG, Petra

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  2. Follygirl schreibt:

    PS: Die Verlinkung zum Blog geht bei mir leider nicht????

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  3. Auch das kann man als eine Art von „Gehenlassen“, zum Wohle des Kranken, bezeichnen. Insofern empfinde ich es nach Deinen beschreibenden Worten keinesfalls als Schwäche, dass die Eltern Bea in die Wohngruppe gehen lassen, sondern als immense Stärke. Sich von einem geliebten Menschen zu lösen ist immer schlimm. Dennoch sollte stets eines im Fokus aller Bemühungen stehen: Dass es demjenigen so gut wie möglich geht, wo auch immer er sein mag.

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    • Anna-Lena schreibt:

      Unter diesem Aspekt haben die Eltern das Richtige getan. So ein Schritt ist sicher schwer, aber man kann auch einen Menschen aus Liebe gehen lassen, wenn die eigenen Kapazitäten nicht mehr reichen.

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  4. Brigitte schreibt:

    Sehr schwere Kost, liebe Anna-Lena. Das muss man untertags lesen. Würde man das abends tun, könnte man die Nacht kaum ein Auge zutun.

    Doch ich lese ebenfalls Bücher dieser Art, denn dann wird mir bewusst, was für ein Geschenk es ist gesunde Kinder zu haben. Eine sehr schwere Entscheidung für Eltern solch ein Kind in eine Wohngruppe zu geben. Das kann ich wirklich nachvollziehen. Aber, es gibt ja ein zweites Kind, um das gesorgt werden muss, und so war diese Entscheidung ganz sicher die Richtige, auch für die Gesundheit der Eltern. Bea ist dort wohlbehütet.

    Liebe Grüße, Brigitte

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    • Anna-Lena schreibt:

      So empfinde ich das auch, liebe Brigitte.
      Auch ein gesundes und pflegeleichtes Kind darf nicht zu kurz kommen und hat seine berechtigten Ansprüche, ebenso wie die Eltern.

      Liebe Grüße
      Anna-Lena

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  5. Lilofee schreibt:

    es ist sicher nicht leicht, eine so folgenschwere Entscheidung zu treffen. Ich fühle mit den Eltern, denn auch ich hatte ähnliche Probleme. Das Buch werde ich mir besorgen.
    Gruß Lilofee

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  6. kowkla123 schreibt:

    Liebe Anna-Lena, das berührt mich zutiefst, du weißt ja, dass ich meine gesamte Lebensarbeitszeit den Schwachen gewidmet habe und viel Dank geerntet habe, schönen Dienstag, KLaus

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  7. die3kas schreibt:

    Ich eine Freundin die ähnliches durch gemacht hat und nach langem hin und her
    und auch wegen der Kosten in eine Wohngruppe gegeben hat.
    Jetzt ist sie (15) schon seit Jahren dort und mittlerweile in einer anderen Familie statt Gruppe,
    die sich total auf das Kind einstellen können und auch erzieherisch bestens geschult sind.
    In den Ferien und ein bis zwei Wochenenden im Monat ist das Mädel zu Hause bei ihren Eltern
    und man muss sagen, für alle Beteiligten ist es das beste gewesen, sich so zu entscheiden,
    Am meisten profitiert das Mädel und es ist wunderbar zu sehen, wie gut sie sich doch trotz allem entwickelt.
    Die Mutter konnte sich gegen die Anfälle nicht mehr wehren und auch nicht mehr helfen und der Vater war auf Montage.
    So ist es eine gute Familie geblieben.

    Lesen möchte ich so ein Buch nicht…
    Ich lese nur nachts und ich bekäme keinen Schlaf, zu sehr würde mich das mitnehmen.
    Aber ich denke für betroffene Familien ein sehr guter Anreiz!

    Schöne Ferien ♥
    wünscht dir kkk

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    • Anna-Lena schreibt:

      Liebe kkk,

      das Buch lässt sich sehr gut lesen, es ist ausgewogen, sachlich und die Gefühle der Eltern sind menschlich völlig verständlich.
      Ja, manchmal gibt es keinen anderen Weg als den, ein Kind woanders hin zu geben, wenn die eigenen Kräfte nicht mehr ausreichen. Wenn es allen Beteiligten damit langfristig besser geht,war es sogar der richtige Schritt.

      Danke für deine lieben Wünsche, die ich gern zurück gebe.
      Ich genieße den Sommer 🙂 .

      Liebe Grüße
      Anna-Lena

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  8. finbarsgift schreibt:

    Liebe Anna-Lena, wieder ein interessanter Lesetipp.
    „Schwere Kost“ gibt es für mich nicht… das gehört doch alles zum im Heutzutage-Leben dazu…
    auch Abschiede aller Arten…
    ich hatte eben ja grade einen von einem sehr guten Freund, der viel zu früh an Krebs starb…
    die Dinge des Lebens sind eben die Dinge des Lebens…
    mann/frau muss sie akzeptieren, damit leben (lernen)…
    herzliche Grüße
    vom Lu

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    • Anna-Lena schreibt:

      Ja, lieber Lu, das gehört zum Leben. Das Schicksal eines kranken Kindes, das meine ich mit schwerer Kost.Es gibt viele Kinder, die krank sind und kämpfen und Eltern haben, die alles geben und dann gibt es die Unzähligen, denen von vorn herein die Chance auf ein Leben genommen wir, nur, weil die Eltern zu dusselig waren, vorher aufzupassen.
      Im Zeitalter modernster Verhütungsmittel und Aufklärung ohne Ende habe ich kein Verständnis für solche Betriebsunfälle.

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      • finbarsgift schreibt:

        schon…, liebe Anna-Lena…, aber das Problem mit der Zukunft ist eben, dass mann/frau vorab nix darüber weiß… bekanntermaßen ist jede/r danach dann immer „klüger“ … und auch ein Verhütungsmittel kann versagen!

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  9. Gudrun schreibt:

    Ich finde es gut und mutig, dieses Thema in einem Buch zu behandeln. Es gibt so viele Tabus in unserer Gesellschaft und weil eben nicht darüber geredet wird, stoßen viele mit ihren Problemen an ihre Grenzen. Damit ist letztendlich niemand geholfen. Warum nicht eine Wohngruppe? Ein interessanter Gedanke. Das Kind ist nie allein und besucht werden kann es immer. So stelle ich mir das eigentlich auch vor, dass Eltern mit behinderten Kindern geholfen wird, und dass sie Freiräume haben, um selbst ein erfülltes Leben haben zu können.
    Bezahlbar muss so etwas allerdings sein. Anstatt sinnloses Kriegsgerät zu produzieren, wäre das eine echte gesellschaftliche Aufgabe. Man kann doch nicht gegen Abtreibung predigen und dann die, die es nicht tun, im Regen stehen lassen.

    Grüße von der Gudrun, der du jetzt wieder einige Denkanstöße für den Tag mitgegeben hast.

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    • Anna-Lena schreibt:

      Bea geht es gut in der Wohngruppe, insofern war die Entscheidung richtig und auch für alle Beteiligten das Beste.
      Wir haben selbst im Verwandten- und Freundeskreis zwei Fälle mit Behinderungen.

      Besonders tragisch ist Jule, ein schwerst körperlich und seelisch behindertes Kind, das von den Eltern über zwanzig Jahre intensiv zu Hause betreut und gepflegt wurde. Die Mutter erkrankte an Krebs, der Vater starb ganz plötzlich. Mittlerweile hat die Mutter einen neuen Lebensgefährten und Jule in eine Einrichtung gegeben, um selbst noch ein wenig Lebensfreude zu haben.
      Zur eigenen Verarbeitung habe ich damals eine Geschichte dazu geschrieben:
      https://annalenaslesestuebchen.wordpress.com/2009/08/05/abschied/

      Im anderen Fall geht es um Downsyndrom. Nadja, heute über vierzig, lebt schon sehr lange in einer Einrichtung, arbeitet dort auch und hat einen sehr lieben Verlobten dort, der ebenfalls nicht gesund ist. Die Eltern (über 80) haben sie oft zu Hause und sind selbst im hohen Alter mit aktiv in dieser Einrichtung.

      Wenn die Kinder gut versorgt sind, sich wohlfühlen, haben auch die Eltern ein recht auf ein eigenes Leben.
      Es ist, wie du sagst, immer noch ein Tabuthema, das viel mehr diskutiert werden sollte, nicht nur mit dem Schlagwort „Inklusion“. Es ließe sich sicher viel mehr auf gesellschaftlicher Ebene machen, um auch solchen Kindern im eigenen Rahmen und je nach Krankheitsbild ein möglichst gutes Leben zu ermöglichen.

      Liebe Grüße Anna-Lena

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  10. bruni8wortbehagen schreibt:

    es ist nicht selbstverständlich, ein gesundes Kind zu haben.
    Ich selbst habe zwei gesunde Töchter.
    Als die Älteste vierzehn Wochen zu früh mit einem NotKaiserschnitt ihr Kindchen bekam, war es lange nicht klar, wie es sich entwickeln würde.

    Nach und nach klärte es sich, er wurde nicht blind, der kleine Mann, er lernte laufen, wie normal Geborene auch, er wurde lebhaft, sein Sprachschatz entwickelte sich, keinerlei Behinderung blieb zurück und doch ist uns allen klar, daß es sich hier um ein großes Wunder handelt und deshalb weiß ich, wie wenig selbstverständlich ein gesundes Kindchen ist. Es ist ein Wunder – ein gesundes Kind – und deshalb sagen wir oft, der Nio ist ein Wunderkind und jeder, der es hört, lächelt und Er lacht fröhlich und macht seine Witzchen mit uns.
    Es ist nicht selbstverständlich, daß er es kann.

    Ein guter Lesetip, liebe Anna-Lena

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    • Anna-Lena schreibt:

      Liebe Bruni,

      ich erinnere mich sehr gut an die Zeit, als du um dein Enkelkind gebangt und gezittert hast und ich habe mich mit jeder guten Neuigkeit von dir mit gefreut.

      Wenn ich dein Interesse an dem Buch geweckt habe, freut es mich. Es geht nahe, es ist aber auch ein Buch mit viel Liebe geschrieben.

      Ich denke, du solltest es lesen.

      Liebe Grüße zu dir♥

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  11. Babbeldieübermama schreibt:

    Sicherliche eine schwere Entscheidung für die Eltern, aber bestimmt die richtige.
    Wir, die alle gesunde Kinder haben, können nur erahnen welch schweren Weg diese Eltern zum Wohl des Kindes gehen mussten..
    Liebe Grüße, Bärbel

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  12. piri ulbrich schreibt:

    Schon eine Weile streiche ich um dieses Buch herum und ich weiß nicht, ob ich es lesen möchte. Ich suche ja auch eine Bleibe für die Junioren und finde keine passende. Es ist verdammt nicht einfach …

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    • Anna-Lena schreibt:

      Es ist sehr gut geschrieben, liebe Petra. Vielleicht hilft es dir bei der Entscheidungsfindung. Die Eltern von Bea haben sich die Entscheidung auch nicht leicht gemacht und sie waren zu zweit und sind an ihre Grenzen gestoßen.
      Du musst nun alle Entscheidungen allein treffen.
      Ich glaube schon, du kannst es gut aushalten, es zu lesen.

      LG Anna-Lena

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  13. Träumerle Kerstin schreibt:

    Stimmt, das ist harte Kost. Und führt einem vor Augen, wie dankbar man für gesunde Kinder sein kann.
    Schön zu lesen, dass die Entscheidung nicht bereut wurde, dass es Bea gut geht. Das hilft den Eltern sehr, damit können sie leben.
    Liebe Grüße von Kerstin.

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