Während Schwester Maria Dolores sich mit der Schwester Oberin beriet, warteten Melanie und Sebastian ein einem Besucherzimmer und tranken einen Kaffee.
„Ein bisschen mulmig ist mir schon“, gestand Melanie. „Wir kennen Conchetta gar nicht und platzen ungefragt in ihr Leben. Haben wir das Recht dazu?“
„Ich weiß nicht“, antwortete Sebastian unschlüssig. „Wir bringen ihr doch nur, was wir gefunden haben und was ihr gehört.“ Zu weiteren Ausführungen kam er nicht, denn Schwester Maria Dolores betrat das Zimmer.
„Ich bringe sie nun zu Senora Alvarez. Um diese Zeit sitzt sie immer im Park.“
Melanie und Sebastian folgten der Schwester in einen blühenden, gepflegten Park. Geschäftig eilten Pflegeschwestern und Pfleger mit Krankenakten hin und her oder fuhren Patienten in Rollstühlen zu Untersuchungen oder einfach nur spazieren.
Das Sanatorium war größer, als es von außen den Anschein hatte. Mehrere Untersuchungs- und Therapiegebäude gruppierten sich in rechtwinkliger Form um eine große Rasenfläche, auf der mehrere kleine Sitzgruppen zum Verweilen einluden.
Sie näherten sich einem kleinen Teich, als Schwester Maria Dolores stehen blieb.
„Dort auf der Bank am Teich, das ist Senora Alvarez. Ich lasse sie nun alleine. Aber, bitte erwarten sie nichts. Trotzdem wünsche ich Ihnen viel Glück.“ Sie eilte zurück zum Haupthaus.
Melanie und Sebastian sahen sich an. Nachdem die Flasche innen getrocknet war, hatten sie den Zettel wieder hinein geschoben und die Flasche verschlossen.
„Komm“, sagte Melanie und nahm Sebastians Hand. Gemeinsam näherten sie sich einer Frau, die sie nur von hinten sahen. Grauweiße lange Haare, zu einem Zopf geflochten, lagen auf einem schmalen Rücken, der von einem dunkelblauen wollenen Tuch bedeckt war.
Sie gingen um die Bank herum und blickten in ein schmales, blasses Gesicht. Die Hände waren gefaltet und ruhten still im Schoß. Dunkelbraune Augen blickten auf den Teich, als konzentrierten sie sich nur auf einen Punkt.
Conchetta musste Anfang dreißig sein, etwa im selben Alter wie Melanie und Sebastian.
Ruhig saß sie da und war völlig in sich versunken.
Das einst hübsche und lebendige Gesicht hatte alle Farbe verloren. Leer und ausdruckslos lagen die Augen in ihren Höhlen. Die Lippen waren schmal und zusammengepresst. Nur Conchettas Sitzposition und ein kaum merkliches Heben und Senken der Brust deuteten darauf hin, dass sie lebte.
„Guten Morgen, Senora Alvarez. Dürfen wir uns zu Ihnen setzen?“ fragte Melanie mit freundlicher Stimme. Wie erwartet, reagierte Conchetta nicht. Melanie setzte sich mit gebührendem Abstand links neben sie, denn sie wollte sie nicht bedrängen, Sebastian blieb neben der Bank stehen. Hilfesuchend blickte Melanie zu Sebastian, der ihr aufmunternd zunickte.
Melanie begann einfach zu erzählen, von Sebastian und sich, ihrem Urlaub auf Teneriffa, wie gerne sie auf der Insel seien, bis zu dem Abend, als sie die Flaschenpost gefunden und mit Maria darüber gesprochen hatten. Conchetta reagierte nicht. Sebastian glaubte jedoch zu sehen, dass sich ihre Augen bei dem Namen Maria kurzzeitig veränderten, er bemerkte ein kleines, aber sichtbares Zucken. Melanie bedeutete ihm mit einem intensiven Blick, weiter zu erzählen.
Vorsichtig setzte er sich auf die andere Seite der Bank, rechts von Conchetta. Er führte Melanies Monolog weiter und erzählte eher Belangloses.
Währenddessen betrachtete Melanie Conchetta. Obwohl die Sonne warm und kräftig schien, spürte Melanie ein Frösteln auf der Haut. Conchetta wirkte auf sie wie jemand, dessen Inneres von Zecken besiedelt war, die hungrig und blutlüstern alles Leben aus ihr gesaugt und eine leere Hülle zurück gelassen hatten.
„Und nun sind wir hier, um Ihnen das zu bringen, was Ihnen gehört. Eine Nachricht von Juan, die Sie offensichtlich nie erhalten haben.“ Dabei legte er ihr die Flasche vorsichtig in den Schoß.
Melanie hielt den Atem an. Bei der Erwähnung seines Namens ging ein Zittern durch Conchettas Körper .Langsam senkte sie den Kopf und schaute die Flasche an. Sie nahm sie behutsam in beide Hände und betrachtete sie mit einem ungläubigen Staunen. Vorsichtig öffnete sie den Verschluss und fingerte den kleinen, schon leicht vergilbten Zettel heraus.
Nachdem sie ihn gelesen hatte, füllten sich ihre Augen mit Tränen, die leise ihre blassen Wangen hinunterliefen. Immer mehr begann ihr Körper zu zittern und zu beben, bis sich die ersten kleinen Tränen in ein wildes Schluchzen ergossen. Vorsichtig legte ihr Melanie den Arm um die Schultern und Conchetta ließ es geschehen. Eine wahre Tränenflut brach aus ihr heraus.
Nachdem der erste Sturm sich gelegt hatte, blickte Conchetta erst zu Melanie, dann zu Sebastian und sagte leise „Danke“.
Gemeinsam saßen sie noch eine Weile schweigend auf der Bank und beobachteten eine Ente und einen Erpel, die zufrieden ihre Runden auf dem Teich drehten. Jeder von ihnen hing seinen eigenen Gedanken nach. Plötzlich sagte Conchetta in die Stille hinein:
„Ich bin Ihnen unendlich dankbar. Ein gemeinsames Leben war uns nicht vergönnt, aber nun kann ich meinen Frieden mit ihm und der Welt machen.“
Melanie und Sebastian begleiteten Conchetta zum Haupthaus zurück, an dessen Tür Schwester Maria Dolores sie lächelnd und erleichtert erwartete und zum ersten Mal die Stimme Conchettas hörte.
ENDE
©Anna-Lena, Februar 2010
@ all:
Ich danke euch für eure Geduld, die ich sicher hinreichend strapaziert habe, für eure netten Kommentare und den Versuch, das Ende möglicherweise auszukundschaften ;-).
Mit der Geschichte in Einzelteilen wollte ich euch nicht ärgern. Erstens wusste ich, dass sie recht lang werden würde und zweitens ist sie ganz frisch. Ich war euch mit dem Schreiben immer nur einen Tag voraus.
Habt noch einen schönen Restsonntag :-).
Liebe Grüße
Anna-Lena
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Wunderschön! Berührend! Danke!
Du hast nicht geärgert, Du bist die Autorin.
Ich hab so gern gelesen – und gewartet 😉 –
und freu mich schon auf die nächste Geschichte!
Bis bald!
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Wunderschön! Ich hätte mir ein anderes Ende schon gewünscht, aber so ist es auch noch ganz gut ausgegangen. So eine Geschichte in mehreren Teilen finde ich super!
Sei lieb gegrüßt
Kvelli
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Eine schöne Geschichte. Ich habe sie sehr gerne gelesen und hoffe, dass hier demnächst wieder so ein 6-Teiler-steht…
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Liebe Anna-Lena
da ich die letzten drei Teile heute erst gelesen habe, war meine Geduld nicht sehr strapaziert worden.
Ich find deine Geschichte sehr schön und sie in mehrere Teile aufzuteilen ist gut, da sie sonst wohl bisschen lang geworden wäre.
Ausserdem schadet es nichts, wenn man mal wieder bisschen geduldig sein muss
Liebe Grüsse
Brigitte
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Letzten Endes dann doch ein gutes Ende, bzw. so gut, wie es nur werden kann. Die Aufteilung finde ich auch gut; da freut man sich immer aufs Weiterlesen und ist auch schon ganz gespannt. Außerdem ist man heute schon darauf trainiert, dass man nicht zu lange Stücke liest (in Blogs) 😉
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Wow, liebe Anna-Lena,
jetzt habe ich die Geschichte nochmal im Ganzen gelesen und freue mich über jeden Satz, der mit so viel Liebe geschrieben ist… Danke dir! Eine wunderschöne, berührende Liebesgeschichte…
Herzliche Abendgrüße von Elisabeth
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Jetzt war ich schon wieder nicht eingeloggt… 🙂
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@all:
Ich danke euch für eure netten Rückmeldungen und freue mich, dass euch die Geschichte gefällt :-).
Sollte sich mal wieder eine längere Geschichte anbieten, bekommt ihr sie wieder „scheibchenweise“.
Morgen muss ich jedoch erst einmal wieder arbeiten, dann ist die Zeit wieder knapper bemessen. Aber wer weiß ;-)…
Habt eine gute Nacht und kommt gut in die neue Woche.
Liebe Grüße
Anna-Lena
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Endlich kam das Ende der Geschichte.
Du hast es noch vor Schulanfang geschafft!
Glückwunsch!
In Deiner nächsten mehrteiligen Geschichte könnte er doch nach vielen Abenteuern wieder zurückkommen, oder?
Vielleicht ist sein Schiff gar nicht gesunken???????
LG von Bruni
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Wunderschön! *seufz*
Die Aufteilung fand ich klasse. An einem Stück wäre sie mir wahrscheinlich zu lang gewesen (zumindest beim Lesen am Bildschirm).
Hab einen guten Start in die Woche
Iris
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Ein märchenhaft schönes Ende!
Einen ebenso guten Wochenanfang wünsche ich dir.
Gruss, Brigitte
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DANKE!!!!!
Liebe Grüße,
Karl
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Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen!.. das Ende war überraschend, aber doch ein Gutes.
(Einzig der Vergleich mit den Zeckenn liest sich etwas merkwürdig, die arbeiten immer nur von außen, aber das ist eben künstlerischge Freiheit.)
Vielen Dank, das ich hier mitlesen durfte.
Liebe Grüße, Petra
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Hast du sehr schön geschrieben! Und ich denke nicht, dass wir dir das Ende herauslocken wollten. Die Fragerei gehört halt zum Spiel!
Man könnte die Geschichte, wie Bruni es schrieb, auch noch weiterführen. Aber das muss man der Schriftstellerin überlassen.
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@all:
Bei so vielen Kommentaren kann ich gar nicht jedem einzelnen antworten.
Danke an euch für euer Mitlesen und eure Kommentare, darüber freue ich mich sehr :-).
Auf jedenfall kommt die Geschichte in mein neues Buch, das bereits in Arbeit ist…
Juan auferstehen zu lassen, wäre eine Möglichkeit, die ich überdenke. Dann wäre aber die Zeitspanne von 5 Jahren zu lang. Und auch das lässt sich beim Überarbeiten noch überlegen und ändern.
Ich denke darüber nach – versprochen ;-).
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oh ich schäme mich nicht
beim lesen kamen mir die Tränen
wunderschön. Danke.
Liebe Grüsse,Elke
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Liebe Elke,
schön, wieder von dir zu lesen :-).
Ich hatte viel Spaß beim Schreiben.
Nicht immer verläuft das Leben
wunschgemäß *seufz*.
Hab eine gute Woche.
Herzlichen Gruß zu dir *wink* :-).
Anna-Lena
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Liebe Anna-Lena
Nun habe ich die zwei letzten Kapitel auch noch zu Ende gelesen. So schön ist das geschrieben mit vielen berührenden und einfühlenden Nuancen.
Ich staune immer wieder über Euch Geschichtenerzählerinnen, wo ihr all die Gestalten hernehmt und sie dann zum Leben erweckt -:)
Vielen Dank fürs Erzählen!
Herzliche Grüsse
Elfe
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Liebe Elfe,
die Gedanken kommen, entwickeln sich und dann müssen sie raus, weil sie sich selbständig machen :-).
Ich freue mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.
Liebe Grüße zu dir,
Anna-Lena
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Ich kam erst gestern dazu, die ganze Geschichte zu lesen.
Gefällt mir sehr gut und du hast den Bogen gut gefunden, um ein Happy End zu basteln.
Vielen Dank für den kleinen Ausflug in wärmere Gefilde.
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