Flaschenpost (5)

Melanie schlief sehr unruhig in dieser Nacht Immer wieder dachte sie an Conchetta und Juan und  versuchte sich vorzustellen, wie es ihr ginge, wenn Sebastian von heute auf morgen verschwände und nie wieder auftauchen würde.

Das Licht des Vollmondes schien auf sein entspanntes Gesicht. Er lag glücklich  in Morpheus’ Armen und atmete tief und gleichmäßig.

Am nächsten Morgen nieselte es leicht und der Himmel schien mit dem Meer eins zu sein, so tief hingen die dunklen Wolken am Horizont. Melanie hatte den Frühstückstisch gerade fertig gedeckt, als Sebastian mit nassen Haaren, einem  Handtuch um die Hüften geschwungen, aus dem Bad trat.

„Was hälst du davon, wenn wir heute nach La Laguna fahren“, fragte er so unvermittelt, dass Melanie überrascht aufsah.

„Du meinst, wir sollten nach Conchetta suchen? Hab’ ich dir schon gesagt, wie großartig du bist? Darüber habe ich mir die halbe Nacht den Kopf zerbrochen, wie ich dir das beibringen soll!“. Melanie stellte die Kaffeekanne ab und fiel Sebastian stürmisch um den Hals. Ihre Lippen trafen sich zu einem langen leidenschaftlichen Kuss.

Der Kaffee war kalt geworden, die frisch aufgebackenen Brötchen hart, aber mit bester Laune riefen sie Maria an, um sich nach der Adresse des Sanatoriums zu erkundigen.

„Ich Trottel habe die Flasche weggeschmissen!“. Sebastian fasste sich an die Stirn.

„Ich weiß so ungefähr, wo du sie entsorgt hast“, antwortete Melanie „und mit ein bisschen Glück finden wir sie.“

Pikiert schauten die ersten Badegäste, als Melanie und Sebastian begannen, am Playa Jardin die Mülleimer auszuleeren und wieder einzuräumen. Beim dritten Mülleimer hatten sie Glück.

Sebastian säuberte die Flasche mit Meereswasser und erwartungsvoll  begannen sie ihren Tag.

Auf der Fahrt im Mietwagen nach La Laguna riss der Himmel plötzlich auf und die ersten warmen Sonnenstrahlen  brachen durch die dünner werdende Wolkendecke.

Sebastian parkte den Mietwagen vor einer alten kanarischen Villa, die von einem kleinen gepflegten Park umgeben war.

Das Innere des Hauses strahlte eine ruhige, freundliche Atmosphäre aus. Es erinnerte eher an ein Hotel, als an ein Sanatorium. Melanie und Sebastian gingen zur  Rezeption, an der sie von einer Ordensschwester freundlich begrüßt wurden

„Guten Morgen. Was kann ich für Sie tun?“.

„Wir sind auf der Suche nach Senora Conchetta Alvarez. Lebt Sie noch bei Ihnen?“

Die Schwester blickte die beiden Deutschen erstaunt an.

„Sind Sie mit Senora Alvarez verwandt?“

„Das nicht..,“ sagte Melanie unsicher, „aber wir haben eine Nachricht für sie.“

„Wissen Sie“, die Schwester, die sich mittlerweile als Schwester Maria Dolores  vorgestellt hatte, zögerte, bevor sie weiter sprach.

„Senora Alvarez lebt bei uns, wenn man das Leben nennen kann. Sie ist eine sehr kranke Frau, weniger körperlich, sondern seelisch. Irgendetwas ist in ihr zerbrochen. Wir haben nur ein paar Anhaltspunkte, das macht es uns so schwer. Daher verstehen Sie bitte meine Neugier und eine gewisse Skepsis,  wenn plötzlich zwei fremde Menschen kommen und sie besuchen wollen.“

Sebastian schaute der Schwester offen in die Augen und erzählte ihr die Hintergründe, von der gefundenen Flasche, dem Zettel darin und den Schilderungen von Maria. Die Schwester hörte interessiert zu.

„Ich weiß nicht, was Sie erwarten? Senora Alvarez spricht mit niemandem. Sie hört und befolgt auch, was man ihr sagt, aber sie lebt in ihrer eigenen Welt, die jegliche Therapiemaßnahmen unmöglich machen.“

„Und was machen Sie mit ihr?“, fragte Melanie neugierig.

„Wir versuchen, sie ins aktive Leben zurück zu holen, was uns leider bisher noch nicht gelungen ist, da sie jegliche Mitarbeit verweigert. So können wir nicht viel mehr machen, als sie mit Freundlichkeit und Liebe zu umgeben, bis sie selbst den Weg ins Leben will.  Und – wir passen auf, dass sie sich nicht das Leben nimmt. Sie ist schwer depressiv und damit auch suizidgefährdet.“

Letzter Teil folgt…

Über Anna-Lena

Lehrerin im Un-Ruhestand, mit vielen Hobbys, die nichts mit dem Beruf zu tun haben. Ich lese viel, schreibe gern selber und fotografiere, was mir vor die Linse kommt.
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9 Antworten zu Flaschenpost (5)

  1. Eva schreibt:

    Bin schon sehr gespannt auf den Schluß!

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  2. Jouir la vie schreibt:

    Hm, ich denke mal, wenn sie die Flasche sieht, den Zettel liest, dann bekommt sie neuen Lebensmut. Sicher werden sie alle drei dann nach Juan suche…und ihn doch bestimmt auch finden, ne?
    Sei lieb gegrüßt
    Kvelli

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  3. ahora schreibt:

    wahrscheinlich fängt sie dann vor lauter Überraschung an zu reden und na ja, ich denke genau so wie Kvelli
    Liebe Grüße
    Barbara

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  4. rundumkiel schreibt:

    Ich bin total gespannt auf morgen… Die Geschichte ist toll…

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  5. Lilie schreibt:

    Hoffentlich hat Kvelli recht …

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  6. Quer schreibt:

    Vielleicht geschehen ja noch Wunder!!!

    Liebe Sonntagsgrüsse,
    Brigitte

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  7. syntaxia schreibt:

    Spannung pur, liebe Anna-Lena!

    Hab einen schönen Sonntag!
    ..grüßt syntaxia

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  8. Follygirl schreibt:

    Du hast den (Spannungs-)Bogen wirklich raus…
    Wünsche einen schönen Sonntag, liebe Grüße, Petra

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